"Gegen die Globalisierung der Gleichgültigkeit"

Podiumsdiskussion „ZwischenRufe“ setzt Thema für Tourismusindustrie: Flüchtlinge und Tourismus durchdringen sich und bieten Perspektiven für ein gelingendes Zusammenleben verschiedener Kulturen

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Berlin/Seefeld, 11.03.2016 – Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung lädt im Rahmen der ITB regelmäßig zum Gesprächsformat „ZwischenRufe – Ungefragt nachgefragt“ ein. In diesem Jahr stand das Panel unter dem Titel „Altes Europa, neue Grenzen? Kommen und gehen, reisen und bleiben: Tourismus und Flüchtlinge“. Zur Diskussion waren eingeladen: Düzen Tekkal (Journalistin und Filmemacherin), Jasmin Taylor (Geschäftsführerin JT Touristik) und Pater Frido Pflüger (Jesuiten-Flüchtlingsdienst).

In seiner einführenden Keynote hatte Prof. Dr. Dietmar Herz, Vorstandsvorsitzender des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung, gewarnt, dass Europa seinen Weg zu Öffnung und Integration zu verlassen drohe. Die Krisen der Welt hätten nun auch uns erreicht und stellten das Konzept einer offenen Gesellschaft infrage. Darauf müssten sowohl Politik und Zivilgesellschaft als auch die Tourismuswirtschaft reagieren.

Düzen Tekkal empfahl zu Beginn der Diskussion, die Gefühle von Angst, die sich in Europa ausbreiten würden, durchaus ernst zu nehmen und diese differenziert zu diskutieren. Gleichzeitig dürften diese Ängste die Menschen in Europa nicht lähmen oder blind vor den globalen Katastrophen machen. Ursachen und Wirkungen müssten untersucht und Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Den Medien komme in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. In jedem Fall – so Tekkal – müsse die Leitfrage für Europa sein wo wir stehen – und nicht die, woher wir kommen.

Trotz einer gefühlten und tatsächlichen Bedrohungslage wollen Menschen reisen, resümierte Jasmin Taylor. Dies sei auch gut, um in angespannten Zeiten Begegnungen zwischen den Menschen zu ermöglichen. Mit dem Reisen setze man ein starkes Signal, dass Krieg und Terror nicht die Oberhand gewinnen könnten. Zudem sei der Tourismus in vielen der Krisenregionen eine der letzten Einkommensquellen. Wenn diese nun auch wegbrechen würden, käme es zu weiteren Wanderungsbewegungen. Im Übrigen sei die Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber Flüchtlingen ihrer Meinung nach u.a. darauf zurückzuführen, dass sie die Fluchtländer bereist und mit den Menschen in Kontakt gekommen wären – sie die Ursachen der Flucht also verstehen könnten. Dem Tourismus komme insofern die Verantwortung zu, auch in Krisenzeiten zu diesen Ländern zu stehen.

Freizügigkeit – so Pater Frido Pflüger – sei ein altes Gut, das akut in Gefahr sei. Es müsse bewahrt und gefestigt werden. Europa sei in den letzten Jahrzehnten sehr verwöhnt gewesen im Hinblick auf Freizügigkeit. Diese Freizügigkeit müsste nun auch den Menschen gewährt werden, die zu uns kommen: „Wir sollten die Geflüchteten als Botschafter deren eigener Kultur verstehen, die unsere durchaus bereichern kann. Diese Menschen bringen ihre Werte mit. Ich bin der Meinung, dass viele davon unseren Wertekanon erweitern können.“

Das 21. Jahrhundert werde das Jahrhundert der Flüchtlinge sein, so die Panelteilnehmer. Mauern werden niemanden davon abhalten können, sich dort niederzulassen, wo Lebensbedingungen sicher sind. In den nächsten Jahrzehnten müsse man mit weiteren Millionen Menschen rechnen, die aufgrund der maßgeblich von den westlichen Industrienationen verursachten Umweltzerstörung ihre Heimat verlassen müssen.

Düzen Tekkal ergänzte, dass Zuwanderung in Deutschland endlich einen gesetzlichen Rahmen benötige. Das könne eine positive Ankunftskultur schaffen und Stigmatisierung verhindern. Die Integration von Menschen sei nun die vordringlichste Aufgabe. Dabei sei unumgänglich, sich seiner eigenen Werte zu versichern, damit dieser Wertekonsens zur Basis eines friedlichen Zusammenlebens werden könne. Deutschland und Europa könnten von den Geflüchteten mittel- und langfristig profitieren – das setze aber Selbstreflexion voraus.

In diesem Prozess seien alle gefordert: Zivilgesellschaft, Entwicklungshilfe und die Tourismuswirtschaft. Entwicklungshilfe bedeute dabei, für Chancengleichheit zu sorgen. Das könne beispielsweise im Bereich des Reisens und der Begegnung geschehen, wenn wir den Menschen in den Herkunftsländern durch touristische Eigeninitiativen die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Existenz eröffnen.

Reisen – so das Resümee der ZwischenRufe 2016 – sei die wunderbare Möglichkeit, andere Weltanschauungen kennenzulernen, mit der eigenen zu vergleichen und gleichzeitig das Bewusstsein für andere Kulturen zu schärfen. Pater Frido Pflüger: „Wenn wir uns für andere Kulturen öffnen, öffnen wir uns für andere Lebensentwürfe und Konfliktlösungsszenarien. Das gilt in beiden Richtungen. Wir reisen in Länder und erfahren dort Neues. Menschen kommen zu uns und bringen etwas mit. Wenn das mit offenem Herz und Verstand geschieht, können wir der ‚Globalisierung der Gleichgültigkeit‘ etwas entgegensetzen.“

Pressekontakt

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