Freude über »TO DO Award« in Schweden und Usbekistan

»Nutti Sámi Siida« und »Nuratau Community Based Tourism Project« erhalten 2023 TO-DO Award-Trophäe | soziale und wirtschaftliche Unabhängigkeit stärkt lokale Dorfgemeinschaften | Wahrung kultureller Identität zentrales Anliegen beider Projekte.

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Seefeld, 08.02.2023 – Der international renommierte Preis für sozialverantwortlichen Tourismus geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an das schwedische Projekt »Nutti Sámi Siida« sowie »Nuratau Community Based Tourism Project« in Usbekistan. Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung ehrt damit seit 1995 Initiativen, die Partizipation und Mitsprache von Einheimischen bei touristischen Projekten und Angeboten ermöglichen.

»Nutti Sámi Siida« – aus der Not eine Tugend machen

Seit mehreren tausend Jahren lebt das indigene Volk der Sámi mit seinen Rentieren und im Einklang mit der Natur in einem Gebiet, das sie selbst Sápmi nennen. Sápmi erstreckt sich über die nördlichen Teile von Norwegen, Schweden, Finnland und Russland.

Ende der 1990er Jahre folgten dort mehrere für die Rentierzucht schlechte Winter aufeinander. Die Tiere fanden nicht genug Futter in der Natur und mussten zugefüttert werden. Zwei Bewohner:innen der Region suchten nach Möglichkeiten, die Rentierhaltung trotz Klimawandel aufrecht zu erhalten. Gemeinsam mit dem Betreiber eines lokalen Ice-Hotels kamen sie auf die Idee, die Übernachtungsgäste aus dem Hotel zu ihren Rentieren zu bringen und ihnen über die Kultur der Sámi zu berichten. Das Projekt »Nutti Sámi Siida« entstand.

Die Nachfrage der Tourist:innen nach diesem Angebot wuchs kontinuierlich. Ab dem dritten Betriebsjahr konnte »Nutti Sámi Siida« weitere Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Es wurden sowohl junge Sámi aus der Gegend eingestellt als auch solche aus den größeren Städten der Region. »Nutti Sámi Siida« versteht sich heute als Lern- und Experimentierfeld für junge Sámi. Durch den Austausch mit den Tourist:innen reflektieren sie sich, ihre Kultur und traditionellen Lebensweisen und halten sie so am Leben.

Sie erlernen gleichzeitig neue Fertigkeiten – vom Kunsthandwerk bis zur traditionellen Küche. Einige der ehemaligen Mitarbeitenden von »Nutti Sámi Siida« haben sich inzwischen selbstständig gemacht. Somit verhilft das Projekt den jungen Sámi, neue Wege auszuloten, wie sie ihre traditionellen Lebensgrundlagen in Einklang mit der modernen Welt bringen können.

Das touristische Angebot umfasst Tagestouren, das Freiluftmuseum Márkanbáiki mit einem angeschlossenen Café und einem Geschäft für Sámi-Kunsthandwerk sowie lokale Produkte, geführte Touren mit Rentieren, Homestay-Aufenthalte und schließlich die sogenannte Reindeer Lodge als eigene Unterkunft. Alle Aufgaben werden kollektiv beschlossen und erledigt – den Nutzen daraus zieht ebenfalls die ganze Gemeinschaft.

»Nuratau Community Based Tourism Project« als Türöffner Usbekistans

Usbekistan ist das einzige der mittelasiatischen post-sowjetischen Länder, in dem es bereits in der Zeit der Sowjetunion nennenswerten Tourismus gab: Taschkent, Samarkand und Buchara waren auch für Reisende aus Westeuropa oder Übersee zugänglich.

Darüber hinaus besteht mit dem Nuratau-Gebirge eine attraktive Region, die erst spät ins Blickfeld des Staates gelangte. Das Nuratau-Gebirge erstreckt sich über 170 Kilometer im östlichen Zentrum Usbekistans und schirmt die Oasen von Buchara und Samarkand gegen die kalten Winde aus der kasachischen Steppe ab. In den wenigen Dörfern, die heute noch bestehen, leben vor allem ethnische Tadschik:innen.

Die touristischen Möglichkeiten sind vielfältig – wurden aber lange Zeit nicht weiterentwickelt. Anfang der 2000er Jahre hatte der deutsche Tierfilmer Henry Mix die Idee, in den entlegenen Dörfern der Nuratau-Berge nachhaltigen Tourismus zu entwickeln, um den von Subsistenzwirtschaft lebenden Dorfbewohner:innen alternative Einkommensquellen zu erschließen. Die Einheimischen waren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihrer staatlichen Wirtschaftsstrukturen mehrheitlich arbeitslos geworden.

Die Idee wurde mit den Dorfältesten besprochen und behutsam umgesetzt. Seit 2008 erlebt die Region ein enormes Wachstum und erfährt das Interesse von Reisenden aus der ganzen Welt: damals wurden in zunächst drei Dörfern sechs Gästehäuser eröffnet, erstmals Touren angeboten und mit Unterstützung der GIZ, des DED und der Deutschen Botschaft Rahmenbedingungen zur Entwicklung touristischer Strukturen geschaffen.

Die hohen Zuwachsraten bei Gästeankünften sicherte ab diesem Zeitpunkt ein eigenes Einkommen für Bewohner:innen, man reinvestierte in die Modernisierung der Häuser, in Bildung der Kinder, soziale Projekte wie Wasserleitungen und Schulsanierung. Inzwischen ist auch der Staat vom Erfolg des Projekts überzeugt: Eine Berufsschule wurde u.a. eröffnet, die auch eine touristische Ausbildung anbietet.

Das Konzept verfolgt drei Ziele: die sozial-ökonomische Stärkung der lokalen Bevölkerung, die Entwicklung eines ökologisch ausgerichteten Tourismus und die Vermittlung lokaler kultureller Identität an Gäste und damit die Wahrung eines selbstbestimmten Lebens der Bevölkerung. Derzeit werden 14 Familien-Pensionen (Gästehäuser) mit ca. 200 Übernachtungsplätzen betrieben. Bis zu 40 Prozent der Bevölkerung aus den beteiligten Dörfern sind in das Projekt involviert und partizipieren unmittelbar.

Claudia Mitteneder, Geschäftsführerin des Studienkreis für Tourismus: „Wir freuen uns besonders, dass wir in diesem Jahr wieder ein europäisches Projekt auszeichnen können, das eine erfolgreiche Symbiose zwischen Wahrung kultureller Identität, Partizipation der Einheimischen bei gleichzeitig wirtschaftlichem Erfolg verkörpert. Der zweite Preisträger öffnet uns den Blick auf ein Land, das zwar viele kennen, dessen touristische Angebote abseits der Hauptattraktionen aber bislang verborgen blieben. Das beweist, dass sozialverantwortliche touristische Projekte überall und unter den verschiedensten Voraussetzungen möglich und erfolgreich sein können. Herzlichen Glückwunsch nach Schweden und Usbekistan!“

Beide Projekte erfüllen in überzeugender Weise das Hauptkriterium des TO DO Award, die Partizipation der einheimischen Bevölkerung bei der Planung und Realisierung touristischer Vorhaben. Die Projekte schaffen damit alternative Einkommensquellen und stärken das Selbstbewusstsein der einheimischen Bevölkerung. Eine 10-köpfige Jury hatte die Projekte zunächst für den TO DO Award 2023 nominiert. Im Anschluss daran hatte der Studienkreis zwei Expert:innen entsandt, um die Projekte vor Ort zu begutachten. Die Prüfungen verliefen durchweg positiv. Der TO DO Award ist mit jeweils 5.000 Schweizer Franken dotiert, die die Schweizerische Stiftung für Solidarität im Tourismus zur Verfügung stellt.

Die Preisverleihung findet am 7. März 2023 ab 14:00 Uhr auf der Kongressbühne in Halle 3.1 der ITB Berlin statt.

Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung auf der ITB 2023: Halle 4.1b, Stand 201.

Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung beschäftigt sich mit entwicklungsbezogener In­formations- und Bildungsarbeit im Tourismus. In diesem Zusammenhang gibt er Publikationen heraus, führt internatio­nale Wettbewerbe durch, veranstaltet Aus- und Fortbildungsseminare für im Tourismus Beschäftigte, ist in den Bereichen Tourismusforschung und -beratung tätig und beteiligt sich am Dialog über Fragen touristi­scher Entwicklung.

Pressekontakt

Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e. V.

Claudia Mitteneder, Geschäftsführung

Tel.: +49 8152 99901-0 | presse@studienkreis.org

 

 

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